Einführung
Gute Makroobjektive kosten in der Regel einige hundert Euro. Mich reizen diese Objektive nicht, weil sie oftmals im Vergleich zu Objektiven gleicher Brennweite zu viele Abstriche haben. Oft ist der Autofokus schlechter, oft ist die Anfangsblende weniger lichtstark. Wer gerne draußen Makros von Blumen und Insekten macht, für den mag ein Makroobjektiv die richtige Entscheidung sein. Mir macht diese Fotografie offen gesagt zu wenig Freude. Für die wenigen Male, in denen ich draußen Makros mache, nehme ich mir Zwischenringe als Hilfsmittel. Richtig spannend wird für mich die Super-Makrofotografie. Also Fotos, die über klassische Makros hinausgehen, mit Abbildungsmaßstäben weit jenseits von 1:1. Mir sind keine Makroobjektive bekannt, die über 1:1 abbilden können. Dafür braucht es also zwingend Hilfsmittel.

Der Maßstab
Ein Abbildungsmaßstab von 1:1 bedeutet, dass 1 cm in der Realität auch 1 cm auf dem Sensor abdecken. Habt ihr eine Kamera mit Vollformatsensor, so misst eurer Sensor an der langen Seite 36 mm. Fotografiert ihr nun ein Lineal, so bildet es 3,6 cm ab. Viele Makroobjektive können nur einen Maßstab von 1:2 abbilden. Auf dem Vollformatsensor werden dann 7,2 cm des Lineals sichtbar. Bei einem Maßstab von 2:1 sehen wir nur noch 1,8 cm des Lineals. Wir sehen also eine Vergrößerung. Je größer die Zahl vor dem “:1”, desto stärker die Vergrößerung. Ein erhebliches Problem bei großen Abbildungsmaßstäben ist die extrem reduzierte Ebene des scharfen Bereichs. Dieser liegt schnell in Bereichen von Bruchteilen eines Millimeters. Damit einher geht, dass diese Fotos nur unter streng kontrollierten Bedingungen aufgenommen werden müssen. Kein Wind und keine Erschütterungen dürfen die Kamera oder das Motiv in Bewegung versetzen. Um tatsächlich beispielsweise einen Insektenkopf von vorne bis hinten scharf abbilden zu können, müssen bis zu 50 Aufnahmen angefertigt werden. Mit jeder Aufnahme muss die winzige, scharfe Ebene weiter nach hinten rücken. Wichtig ist hierbei, dass nicht am Objektiv neu fokussiert wird (dadurch würde sich der Abbildungsmaßstab verändern und keine Hand der Welt könnte vermutlich so exakt fokussieren). Stattdessen wird entweder die Kamera, oder das Motiv um den Bruchteil eines Millimeters verschoben. Das bedeutet auch: Lebende Insekten können so nicht fotografiert werden. Es braucht bereits tote Insekten dafür.

Gut 5 mm kann ich auf dem Sensor abbilden. Da ich einen Vollformatsensor nutze, welcher an der kurzen Seite 24 mm Länge aufweist, ergibt sich ein Abbildungsmaßstab von knapp 5:1.

Die Ausstattung
Selbstverständlich braucht es zu aller erst eine Kamera mit der Möglichkeit, das Objektiv zu wechseln. Ab hier gibt es im Grunde zahlreiche Möglichkeiten, mit improvisierten Hilfsmitteln eine enorme Vergrößerung zu erzielen. Meine Ameisenbilder entstanden mit einer Sony a58, einem Makroobjektiv von Sigma (105mm) und einer Vorsatzlinse von Raynox, welche ich auch ausdrücklich empfehlen kann. Das Objektiv und die Linse habe ich mittlerweile verkauft. Heute fotografiere ich mit einem günstigeren Setup, welches aber durchaus optisch mithalten kann.
Ich bediene mich bei der Vergrößerung an dem Effekt, dass ein Objektiv falsch herum an die Kamera angebracht eine Vergrößerung zur Folge hat. Dabei gilt: Je weitwinkliger das Objektiv, desto größer die Vergrößerung. Es gibt für quasi alle Bajonetttypen sogenannte Retroadapter. Eine Seite hat das Gegenstück zum Kamerabajonett, die andere ein Filtergewinde. Das Objektiv wird also mit der Seite des Filtergewindes an die Kamera geschraubt und ihr fotografiert mit der Objektivrückseite zum Motiv gewandt. Diese Technik habe ich selbst noch nicht angewandt.
Ich bediene mich aber an dem Prinzip. Nur, dass das Objektiv nicht direkt an die Kamera angebracht wird, sondern an einem weiteren Objektiv. Vor diesem Objektiv sind nochmals Erweiterungsringe. Ich habe also an der Kamera47mm Extension und ein 200 mm Teleobjektiv. An dem Teleobjektiv ist ein sogenannter Kupplungsring. Das ist Adapter mit zwei Filtergewinden auf jeder Seite. Eines kommt an das Tele, das andere erlaubt die umgedrehte Anbringung einer Weitwinkel-Linse. In meinem Fall habe ich am Ende nur eine 50 mm Festbrennweite. Ich habe auch ein altes kaputtes 28 mm Objektiv, welches ich getestet habe. Die Vergrößerung ist enorm. Jedoch ist das Objektiv von schlechter Qualität und damit auch die Fotos. Denn bei allen möglichen Varianten eine Vergrößerung zu erzielen gilt: Das Foto ist optisch nur so gut, wie das schwächste Glied in der Kette. Ihr könnt also ein absolut hochklassiges Makroobjektiv haben. Wenn ihr für eine weitere Vergrößerung eine minderwertige Vergrößerungslinse vor klemmt, ist das Resultat am Ende auch Mist. 

Das vorderste Objektiv ist umgedreht an dem Teleobjektiv montiert

Da ich zu Hause auch eine fast 50 Jahre alte Minolta XD7 habe, besitze ich auch einige Objektive aus dem System und adaptiere sie auch gerne an meine Sony a7r III. Der Vorteil liegt dieser Objektive liegt auf der Hand. Sie sind fast alle sehr günstig zu haben. Qualitativ gibt es allerdings große Unterschiede. Mein 28 mm Objektiv ist von irgendeinem Dritthersteller und wirklich Murks. Mein 50 mm 1.7 ist dagegen ein original Minolta Rokkor und kostet trotzdem nur um die 30 €. Die Rokkore haben in der Regel sehr gute Schärfeleistungen. Mein 200 mm ist zwar auch nur von einem Dritthersteller (Vivitar), aber hat trotzdem sehr gute Abbildungsqualitäten und kostet ebenfalls meist unter 30 €. Grundsätzlich gilt, dass Festbrennweiten schärfer abbilden als Zoom-Objektive.

Von links nach rechts: Kamera - Zwischenringe - Adapter auf Minolta Bajonett - 200 mm Festbennweite - Kupplungsring - 50 mm Festbrennweit (umgedreht)

Der Einsatz alter Objektive hat einen weiteren ganz elementaren Vorteil: Das Objektiv, welches umgedreht am Ende angebracht wird, muss irgendwie gesteuert werden. Moderne Objektive haben kaum noch Blendenringe, an welchen man die Blende direkt am Objektiv ändern kann. Bei einem modernen Objektiv ist die Blende also standardmäßig größtmöglich geschlossen. Damit könnt ihr nicht arbeiten. 
Die bereits erwähnte Problematik der geringen Schärfentiefe erfordert die Benutzung eines Makroschlittens. So werden Geräte bezeichnet, welche die Kamera um einige Zentimeter nach vorne schieben können. In der Regel nutzt man diese auf einem Stativ. Das Problem bei diesen Schlitten ist: Sie sind oft sehr teuer und nicht genau genug. Ich kam durch einen Forenbeitrag mal auf die Idee, mir einen Microkoordinatentisch von Proxxon zu kaufen. Die werden in der Feinmechanik eingesetzt, sind deutlich exakter und viel günstiger, als die Schlitten bekannter Kameraausrüster. Der Proxxon kostet um die 70 € und gibt auf seiner Skala 0,05 mm Markierungen an. Besser gehts kaum. Noch dazu hat ihr vorgebohrte Löcher an seiner Bodenplatte. Für bessere Stabilität kann er also auf eine Holzplatte angebracht werden.

Proxxon Koordinatentisch als Alternative zu teuren Makro-Schlitten

Was am Ende noch fehlt, ist Licht. Es muss keine hochwertige Leuchte sein. Ich nutze eine LED-Pocketleuchte. Da aber ohnehin länger belichtet wird, ist das nicht der wichtigste Faktor. Hier kann man aber insgesamt sehr kreativ werden. Um gleichmäßig auszuleuchten, habe ich mal eine weiße Shampoo-Flasche aufgeschnitten und von oben angeblitzt. So erhielt ich ein sehr ausgewogenes Licht auf meinem Motiv.
Komposition
Das Motiv ansprechend auszurichten, ist gar nicht so leicht. Zum einen ist die Kontrolle schwer zu behalten, da ihr an der Kamera selbst ja nur eine winzige Schärfenebene sehen könnt. Zum anderen geht um Bruchteile von Millimetern. Meine Ameisen habe ich mit einer feinen Pinzette ausgerichtet. Gehalten wurden sie von einem Stück Knete, auf welchem sie standen. Immer wieder ist es mir passiert, dass ich versehentlich den Körper der Ameise zerstört habe. Beine oder auch der Kopf sitzen leider nicht mehr so fest an dem toten Insekt.
Manchmal ist mir ein Abbilgungsmaßstab von 5:1 einfach zu extrem und ich würde gerne etwas mehr Details auf das Bild bekommen. Dann erstelle ich einfach ein Panorama aus mehreren Bildausschnitten. Dabei erhalte ich mir die Details des extremen Maßstabs.
Vorgehen
Sobald alles montiert und das Motiv ausgerichtet ist, kann es endlich losgehen. Ab jetzt gilt, jede Erschütterung muss unbedingt vermieden werden. Bestenfalls stellt ihr dafür eure Kamera so ein, dass sie geräuschlos fotografiert. Das heißt, der elektronische Verschluss muss auslösen. Die Kamera selbst wird bestenfalls mit einem Fernauslöser ausgelöst. Ich nutze dafür die Sony-App und löse am Smartphone aus. Nur wenn es gar nicht anders geht, löst ihr selbst an der Kamera aus, dann aber mit möglichst viel Zeitverzögerung und auch nur, wenn ihr es sicher schafft, die Kamera dabei nicht zu bewegen.
Um optimal scharfe Bilder zu erhalten, solltet ihr jetzt noch die Blenden der Objektive auf etwa f8 stellen. Offenblendig würden die Fotos insbesondere zum Bildrand hin unschön matschig wirken.
Ich gehe so vor, dass ich alles so ausrichte, dass die ersten 2-3 Fotos noch komplett unscharf sind und erst dann erste scharfe Bereiche auftauchen. Oft reicht es mir, wenn ich das Motiv nach jedem Foto um 0,2 mm in Richtung Kamera bewege. Ich höre entweder auf, wenn ich alle Teile des Motivs scharf abgebildet habe, oder eine von mir gewünschte unscharfe Ebene erreicht wurde (Es muss nicht von vorne bis hinten alles scharf sein).
In den folgenden Bildern sind habe ich Aufnahmen einer Kaffeebohne gemacht. Um die Bohne über ihre ganze Länge abzulichten war es notwendig, 6 Belichtungsreihen anzufertigen und daraus letztlich ein Panorama zu erstellen.
Die Schärfeebene wandert von Bild zu Bild um 0,2 mm nach hinten
Die Schärfeebene wandert von Bild zu Bild um 0,2 mm nach hinten
Die Schärfeebene wandert von Bild zu Bild um 0,2 mm nach hinten
Die Schärfeebene wandert von Bild zu Bild um 0,2 mm nach hinten
Die Schärfeebene wandert von Bild zu Bild um 0,2 mm nach hinten
Die Schärfeebene wandert von Bild zu Bild um 0,2 mm nach hinten
Die Schärfeebene wandert von Bild zu Bild um 0,2 mm nach hinten
Die Schärfeebene wandert von Bild zu Bild um 0,2 mm nach hinten
Die Schärfeebene wandert von Bild zu Bild um 0,2 mm nach hinten
Die Schärfeebene wandert von Bild zu Bild um 0,2 mm nach hinten
Post Production
Sind alle Fotos geschossen, beginnt die nächste Geduldsprobe. Ich mache meine Fotos ausschließlich in unkompromierten Raw-Files. Das hat aber zur Folge, dass unglaublich große Datenmengen verrechnet werden müssen. Ungefähr 40 Fotos, mit je über 80 mb Größe, pro Bild. Wenn dann noch ein Panorama erstellt werden sollen, kommen schnell zweistellige GB-Größen pro Session zusammen. Erste Anpassungen mache ich in Lightroom. Ich exportiere dann alle Fotos als DNG und wechsle zu Photoshop.

Bearbeiten der Raw-Files in Lightroom, Export in DNG Files

Hier lade ich alle Bilder als Stapel in ein Dokument. Denkt daran, das Häkchen bei “automatisch ausrichten” zu setzen.  Das kann durchaus einige Minuten dauern.

Alle Bilder als Ebenen in ein Dokument laden (Dateien in Stapel laden...)

Alle Bilder auswählen und anschließend das Häkchen setzen bei "automatisch ausrichten"

Wählt anschließend alle Ebenen aus und wählt “bearbeiten - Überblenden” und wählt die Methode der Stapel. Die Software sucht nun in allen Bildern nach den scharfen Bereichen und erstellt Ebenenmasken, in welchen die unscharfen Bereiche ausgeblendet werden. Diese Methode nennt man Focus-stacking.

Alle Ebenen auswählen und überblenden lassen

Bilder in Stapel laden. Ab jetzt braucht Photoshop erneut eine Weile zum Rechnen.

Bestenfalls erhaltet ihr nach einiger Rechenzeit ein ausgezeichnetes, scharfes Bild. Meistens ist das leider nicht so direkt der Fall. Es mag Software geben, die das besser hinbekommt als Photoshop. Helicon Focus ist zum Beispiel ein super Programm dafür. Ich bin mit den Resultaten aber ziemlich zufrieden und kann auch kleinere Bildfehler verzeihen. Je komplexer das fotografierte Objekt ist, desto mehr Fehler schleichen sich bei der Zusammensetzung der Fotos ein. Eine Kaffeebohne ist relativ 2-Dimensional und einfach abzubilden. Moos zum Beispiel ist deutlich schwieriger, weil sich hinter jedem klienen Mooshalm weitere Mooshalme befinden. Es überlagern sich also mehrere scharfe Bereiche. Die Software kann hier Probleme bekommen. Letztlich kann man viele der Fehler in der Bildbearbeitung korrigieren. Das ist aber sehr zeitintensiv. Es können die zahlreichen Masken angepasst werden. Etwas einfacher ist es, die Bildfehler mit dem Stempel-Werkzeug zu kaschieren. Dafür müsst ihr alle Ebenen auf eine Reduzieren und dann einfach drauf los Stempeln.
Panorama
Wenn ihr ein Panorama begonnen habt, müssen jetzt noch alle Einzelbilder zusammengesetzt werden. Ähnlich des Focusstackings, könnt ihr in Photoshop auch Bilder als Panorama überblenden lassen. Die ersetellten Masken lassen sich noch verfeinern, sodass sich ein homogenes Bild ergibt. Fehler können hier weggestempelt werden.
Teilbild 1
Teilbild 1
Teilbild 2
Teilbild 2
Teilbild 3
Teilbild 3
Teilbild 4
Teilbild 4
Teilbild 5
Teilbild 5
Teilbild 6
Teilbild 6

Das fertige Bild der Kaffeebohne, zusammengesetzt aus 115 Einzelbildern in 6 Belichtungsreihen. Das finale Bild hat eine Auflösung von 115 MP.

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